Ich kann es fast hören: "WTF? Ist sie nun endgültig durchgeknallt? Zum Garn aufwickeln braucht es nun wirklich keine Anleitung!"
Dass ihr das könnt, ist mir klar. Ich will euch nur ein paar Tipps geben, die euch die Arbeit erleichtern und vielleicht dazu beitragen können, dass das Ergebnis schöner wird. Und vielleicht kann ich sogar ein paar Fragen beantworten.
Fangen wir mal mit was Grundsätzlichem an, was in diesem Zusammenhang noch wichtig wird: Wolle ist elastisch. Ziemlich sogar. Ich demonstrier euch das mal an einem Stück KnitPicks Shadow (Lacegarn, 100% Merino):
Festgezogene Knoten in Lacegarn sind zugegeben schwer zu erkennen, deswegen habe ich sie zusätzlich mit Pfeilen markiert. Wie ihr seht, sind die Knoten im entspannten Zustand 10cm voneinander entfernt (oben). Im gespannten Zustand ist der gleiche Garnabschnitt plötzlich 1,5cm länger (unten). Das ist ein ganzer Haufen. Umgerechnet auf 1m sind das schon 15cm. Und umgerechnet auf ein 400m-Knäul ganze 60m!
Früher habe ich meine Knäule "einfach so" gewickelt, Faden um drei Finger, wickeln wickeln, um 90 Grad drehen, wickeln wickeln, wieder drehen, weiterwickeln. Das Garn wurde dabei unter Spannung aufgewickelt und das Knäul wurde fest und kompakt. Ganz im Gegensatz zu gekauften Knäulen, die immer fluffig-weich daherkamen und in denen das Garn entspannt dalag. Dass das irgendwie besser war, konnte ich mir schon denken, denkt an die 60m "Spannungszugabe". Entspannte Wolle ist genauso glücklich wie entspannte Menschen. Ich hatte sogar das Gefühl, dass durch die feste Wickeltechnik ein wenig Elastizität verloren ging, vor allem, wenn das Knäul längere Zeit gelagert und nicht sofort verstrickt wurde. Nur, "lockerer wickeln" sagt sich so leicht.
Irgendwann fand ich genau darüber einen Artikel im Internet und einen kleinen feinen Trick, mit dem sich ganz leicht entspannte Knäule zaubern lassen.
Vorhang auf für.. meine rechte Hand.
Ihr fangt ganz normal an: Garn nehmen, um drei Finger wickeln, bis ihr eine gute Grundlage habt.
Das Grundknäul wird um 90 Grad gedreht und ihr wickelt es ein.
Der Trick dabei: Umwickelt nicht nur die Wolle, sondern zusätzlich 1-2 Finger eurer Hand.
Dann zieht ihr vorsichtig die Finger raus, dreht das Knäul und wickelt weiter, wieder mit den Fingern als Abstandhalter. Am Anfang reichen 1-2 Finger. Finger rausziehen, Knäul drehen, weiterwickeln.
Je größer das Knäul wird, desto mehr Finger nehme ich. Am Ende sind es meistens alle vier, bei sehr großen Knäulen benutze ich sogar noch den Daumen.
Toller Nebeneffekt: Das Knäul kann euch nicht mehr aus der Hand und in die Hände staubiger Sofaecken oder spielwütiger Katzen fallen.
Am Ende habt ihr ein Knäul, das um einiges größer sein dürfte als ein fest gewickeltes, dafür hat das Garn aber auch schön viel Platz. Wenn ihr an einem Faden aus einer tieferliegenden Wickelschicht zieht, sollte es sich spannen und wieder entspannen können. Das Garn behält in der Länge seine Elastizität und im Querschnitt seine Form, weil es nicht von den außenliegenden Schichten plattgedrückt wird.
Toll, oder?
Zum Abschluss habe ich noch was Wissenswertes für die Wickelunwilligen, die sich fragen, warum man überhaupt Wolle umwickeln muss. Warum wird manches Garn in Strängen und nicht in Knäulen verkauft?
Auf die Frage gibt es mehrere Antworten, mir fallen spontan drei ein.
Die erste, die auch erklärt, warum mittlerweile sogar große Konzerne diese Form wählen (Opal handgefärbt zB.): Es ist eine ungewöhnliche Form, es sieht neu und besonders aus. Das trägt bestimmt zur Steigerung der Verkaufszahlen bei.
Die zweite, die vor allem bei Farbverlaufsgarnen wichtig ist: Man sieht die ganze Wolle auf einmal. Bei einem Knäul kann man immer nur die äußere Schicht sehen. Wenn man sich zB. ein oder zwei Knäul Kauni Effekt-Lacegarn ansieht, würde man weder vermuten, dass es sich bei beiden um die gleiche Farbe (EQ, Regenbogen) handelt, noch, dass am Ende sowas (Bild kommt von hier) dabei rauskommt. Mittlerweile scheint Kauni das eingesehen zu haben und stellt seine Garne auf der Firmen-HP so vor. Man sieht sofort, was einen erwartet.
Die dritte Antwort ist vor allem bei handgefärbten Garnen, kleinen Firmen und Privat-Färbern zutreffend: Die Wolle wird im Strang gefärbt. Sie danach wieder in Knäul-Form zu bringen, kostet Zeit, Arbeit und letztendlich Geld; indem man diese Aufgabe dem Kunden überlässt, kann man das Garn günstiger anbieten. Das ist wie bei Ikea: der Kunde nimmt das flache Päckchen mit nach Hause und übernimmt die Endmontage selbst. Das kann lange dauern und nervig sein, aber am Ende ist man trotzdem glücklich.
Danke für die Anleitung, die zumindest >ICH so noch nicht kannte. Einleuchtend und nachvollziehbar - so mag ich mein Internet!
AntwortenLöschenSchönes Wochenende!
Projektmanagerin
Ich wickel auch schon seit Jahren meine Knäule so ;) Wenn ich meinen Freund bitte mit zu helfen, sieht man den Unterschied enorm! Meine Knäule sind oft doppelt so groß wie seine. Ich verstricke dann immer zuerst die von ihm, damit der Faden nicht so lange "leiden" muss :D
AntwortenLöschenEin wirklich gelungener Bericht. Für alle die es noch nicht wussten ist er sehr lehrreich und für mich immerhin eine Bestätigung, dass ich alles richtig mache ;)
Liebe Grüße,
Lena
Diese Methode kannte ich noch nicht. Hab es auch gleich ausprobiert und es klappte problemlos. Irgendwie sieht´s ja doch schöner aus als so ein straffes Knäul XD
AntwortenLöschenMachst du das bei allen Knäulen?
@aeon:
AntwortenLöschenJa, wenn ich irgend ein Knäul oder einen Strang umwickeln muss (gekaufte Knäule lasse ich natürlich so, wäre ja sinnlos, die nochmal zu wickeln), dann mittlerweile immer so.
Aaah, wieder was gelernt. Deshalb waren meine Knäuel so fest letztes Mal.. das nächste Mal werde ich es nach deiner Methode versuchen!
AntwortenLöschenIch finde die Anleitung auch toll. Mir fällt sonst dauernd dieses blöde Knäuel beim Wickeln runter, und rollert natürlich durch die ganze Wohnung unter die Couch *grrr* Danke Teli, für die zukünftige Schonung meiner Nerven
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