Am Wochenende war ich viel unterwegs. Zuerst bin ich Donnerstag direkt nach der Arbeit nach Kassel gefahren, habe dort eine viel zu kurze Nacht verbracht und bin Freitag nach Marburg, um mir dort abends auf der Absolventenfeier meine lateinische Urkunde und ein paar Schnittchen abzuholen. Und heute wieder zurück an die Grenze.
Ich würde ja gerne schreiben, dass ich "nach Hause" gefahren bin.. aber das stimmt nicht. Zuhause ist im Moment nirgends. Hier schlafe, esse und arbeite ich, aber es dauert noch eine Weile, bis ich in meine Wohnung kann.
In Kassel steht ein Großteil meines Zeugs, aber dreieinhalb Monate Zwischenmiete reichen nicht, um den Ort, an dem das Bett steht, zu einem Zuhause werden zu lassen. Der Ninja sagt immer: "Nichts ist eine Zwischenstation.", aber da ich immer wusste, dass Kassel nur vorübergehend sein würde, habe ich mir gar nicht die Mühe gemacht, Gefühle für diese Stadt aufzubauen.
Mit Marburg sieht es schon anders aus. Es ist ein komisches Gefühl, in eine Stadt zurückzukehren, wo man sich im Prinzip perfekt auskennt, die sich in der Zwischenzeit aber doch verändert hat. Mir kam es vor, als würde ich einen Ex-Freund nach Jahren wiedersehen. Man kennt diesen einen Blick, diese Narbe, diese Angewohnheit und bekommt das Bedürfnis, ihm durch die Haare zu wuscheln. Gleichzeitig haben sich beide verändert und es gibt Dinge, die vollkommen neu und ungewohnt sind. Der Bahnhofsvorplatz ist fertig, in der Oberstadt sind alte Läden verschwunden und neue aufgetaucht. Das Sudhaus wird im Mai schließen. Das Wintersemester hat neue Gesichter in die Stadt geschwemmt.
Aber gleichzeitig riecht es immer noch pünktlich ab halb drei vor dem Kino nach Popcorn. Ahrens hat mal wieder alles reduziert. Einer der Oberstadtaufzüge ist gesperrt. Auf der Wackelbrücke steht jemand und spielt Saxophon und man fragt sich, warum die Stadt es immer noch nicht schafft, mit den Großbaustellen bis zu den Semesterferien zu warten.
Aber gleichzeitig riecht es immer noch pünktlich ab halb drei vor dem Kino nach Popcorn. Ahrens hat mal wieder alles reduziert. Einer der Oberstadtaufzüge ist gesperrt. Auf der Wackelbrücke steht jemand und spielt Saxophon und man fragt sich, warum die Stadt es immer noch nicht schafft, mit den Großbaustellen bis zu den Semesterferien zu warten.
Ich würde nicht sagen, dass ich Heimweh nach Marburg habe. Es fühlt sich eher an wie Liebeskummer. Man trifft sich um der alten Zeiten willen auf einen Kaffee, hat Spaß, fühlt sich aufgehoben und verstanden und kann selbst nicht verstehen, warum man nie nach diesem oder jenem
gefragt hat. Wahrscheinlich, weil es damals nicht wichtig war. Weil
einem erst die Fremde den Blick dafür gegeben hat, wie wertvoll die
gemeinsame Zeit war. Dafür, was man alles nicht gesagt und nicht getan
hat. Ich war nie in der Ketzerbach, nie im Botanischen Garten. Ich bin
nie mit dem Rad nach Gießen gefahren. Ich habe dem Garten nicht Auf
Wiedersehen gesagt und nie das Knubbel von innen gesehen, obwohl ich jeden verdammten Tag mit dem Bus daran vorbeigefahren bin.
Und dann erinnert einen das Schlafzeug und der Kulturbeutel im Rucksack daran, dass man nicht bleiben kann, dass man nicht mehr dorthin gehört. Dass die Trennung Gründe hatte. Es wäre keine gute Idee, dem Drang nach Geborgenheit und der Gewissheit, die Buspläne auswendig zu kennen, nachzugeben. Wie gesagt, man ist ja nicht grundlos auseinandergegangen und aufgewärmt schmeckt sowieso nur Gulasch (und Kürbissuppe).
Marburg war wahrscheinlich sehr schnell über mich hinweg. Diese Stadt ist es gewohnt, junge Leute von überall aufzunehmen, ihnen einen Studienabschluss in die Hand zu drücken und sie wieder ziehen zu lassen. Vielleicht würde es mir auch leichter fallen, wenn ich schon ein neues Zuhause hätte. Klar, im Prinzip ist das hier an der Grenze, aber ich bin nicht der Typ für Where I lay my head is home.
Wahrscheinlich werde ich noch eine Weile brauchen, bis ich die Schönheit des flachbrüstigen Münsterlands zu lieben lerne. Bis ich seine Schrullen als liebenswerte Macken akzeptieren kann. Bis die Bahnfahrt hierher keine nervige Odyssee mehr, sondern der Weg nach Hause ist.
Ich mag Marburg, aber wohnen tue ich da nicht :)
AntwortenLöschenAllerdings kann es mich wohl in der Zukunft hinwehen wo es will, mein Geburtstort, der Ort wo ich aufgewachsen bin, der wird immer mein Zuhause bleiben. Egal wo ich in Zukunft wohnen werde. Ich glaube nicht daß ich einen anderen Ort jemals mein Zuhause nennen könnte. Ich weiß nicht warum....
Vor 2 Jahren bin ich zum ersten Mal nach gut 5 Jahren in meine Uni-Stadt zurückgekommen, das war wirklich komisch, genauso wie du es beschrieben hast. Alles anders, aber irgendwie trotzdem so als ob die Zeit stehengeblieben wäre.
AntwortenLöschenInzwischen bin ich so viel herumgezogen, dass ich festgestellt habe: Wenn ich mein eigenes Bett habe, fühle ich mich gleich viel mehr "zuhause". Egal ob das Bett jetzt in dem Ort steht, wo ich aufgewachsen bin, oder fast am anderen Ende von Österreich. Dafür werde ich halb wahnsinnig, wenn ich länger auf fremde Betten (lies: Zimmer im Gasthof oder ähnliches) angewiesen bin..
Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, gebe ich aber immer noch den Ort an, wo ich aufgewachsen bin. Auch wenn mein Dialekt inzwischen nimmer so eindeutig zuordenbar ist wie früher :-)
Gerade wenn deine Wohnsituation noch so ..verstreut.. ist, ist das mit dem sich-zuhause-fühlen noch schwer. Aber es wird bestimmt besser!
lg Amhrán